Klüger warten
Je konsequenter Wohnungsunternehmen ihre Wartungsvereinbarungen managen, umso geringer sind langfristig die Kosten. Und die Mieter freuen sich ebenfalls. Klingt gut, aber wie schafft man das?
Im Herbst 2012 begannen Thomas Heye und Uwe Krause nach der Stecknadel im Heuhaufen zu suchen. Die beiden Angestellten der Wohnungsgesellschaft VIVAWEST wühlten sich monatelang durch Berge von Akten und Aktenordnern, fahndeten nach Vereinbarungen und Verträgen rund um das Thema „Aufzugswartung“. Der Grund: Das Unternehmen mit Sitz in Gelsenkirchen war gerade eben erst aus dem Zusammenschluss der Gesellschaften Evonik Immobilien und THS entstanden. Transparenz musste her. Keine einfache Aufgabe bei 120.000 Wohnungen in 76 Städten an Rhein und Ruhr, und bei 2.000 Mitarbeitern, einer Vielzahl von Kundencentern, Außenstellen und Servicebüros. Einkaufsleiter Heye und sein Mitarbeiter Krause haben ihre Köpfe in einen ziemlich großen Heuhaufen gesteckt. In dem fanden sie 580 Aufzüge – und ebenso viele einzelne Wartungsverträge mit Handwerksunternehmen.
Für jeden Aufzug einen Vertrag, mit eigenen Inhalten, Konditionen, Ansprechpartnern, Fristen und Preisen. Ein Wirrwarr war entstanden, dezentral gemanagt durch eine Vielzahl von Mitarbeitern. Komplex, undurchsichtig, nicht mehr zeitgemäß. Die beiden Manager schufen eine neue Ordnung – und sie ließen dabei kaum einen Stein auf dem anderen.
Heute gibt es für alle 580 Aufzüge nur noch neun Wartungsverträge mit harmonisierten, einheitlichen Inhalten. Ihnen liegen transparente kaufmännische Prozesse zugrunde, die wiederum auf einer modernen IT- und SAP®-Anbindung fußen. VIVAWEST hat ihre Wartungsvereinbarungen gestrafft und zugleich gebündelt, wodurch die Kosten ein gutes Stück sanken. Die Neuordnung bedeutet ein Stück Zukunftssicherung, von der man sich langfristig organisatorische und ökonomische Vorteile verspricht – für das Unternehmen, die Lieferanten und vor allem aber für die Mieter.
Bohrende Fragen
Die Wartung und ihre vertragliche Regelung sind ein Dauerbrenner für Wohnungsunternehmen, ganz unabhängig von ihrer Größe und der ihres Wohnungsbestands. Das Thema hat Gewicht, alleine schon deshalb, weil zu den Betreiberpflichten die gesetzlich geforderte, regelmäßige Prüfung und Pflege von zum Beispiel Aufzügen, Heizungsanlagen, Gasthermen, Rolltoren, Drehtüren oder Hebeanlagen gehört. Vergeben werden diese Aufgaben an Dienstleister – kleinere oder größere Handwerksfirmen, mit denen ein Wohnungsunternehmen Wartungsverträge mit mehrjähriger Laufzeit vereinbart. In der Regel werden diese Aufträge von den Technikabteilungen ausgeschrieben. Niemand wird bezweifeln, dass eine ausgeprägte technische Expertise unbedingt notwendig ist, um die Qualität von Wartungsverträgen und -arbeiten beurteilen zu können. Nur diese allein reicht längst nicht mehr aus.
In Zeiten, in denen kontinuierlich steigende Nebenkosten von Mietern als „zweite Miete“ wahrgenommen werden, sollten Wohnungsunternehmen ihr Augenmerk mehr denn je auf die kaufmännischen Aspekte der Wartung legen. Nur, wie verknüpfe ich die technische und ökonomische Sichtweise sinnvoll? Wie kann ich die Wartung effizient organisieren, planen, durchführen und ausschreiben? Wie bediene ich mich dabei moderner IT, um Einkauf, Technik und Buchhaltung klug zu verknüpfen? Wie schaffe ich es letztlich, auch als kleineres Wohnungsunternehmen, das Thema „Einkauf“ langfristig und effizient anzugehen?
Wille und Wissen
Fragen, die sich VIVAWEST ebenfalls stellte. „Fragen, die wir uns vor allem auch stellen wollten“, sagt Einkaufsleiter Thomas Heye, dessen Team aus insgesamt 18 Mitarbeitern besteht. Die Bereitschaft, in einen Dialog mit den Kollegen einzutreten, sich Fachwissen anzueignen und dies nicht nur technischen Experten oder gar externen Beratern zu überlassen, sei elementar. „Man muss mitreden können, möglichst im Detail.“ Wissen, wie ein Aufzug oder eine Heizungsanlage funktioniert; welche Komponenten für welche Funktionen sorgen; welche in der Vergangenheit häufig ausgefallen sind und warum; wie Preis und Leistung zusammenhängen; wie es um die rechtliche Basis steht.
Nur so entstehe ein klares Leistungsbild für die Wartungsvereinbarungen, sowohl im eigenen Haus als auch bei den Lieferanten. „Und nur dann hat man eine sachliche Grundlage, um in den Verträgen konkrete Einzelpositionen festzulegen und sich damit gegen Mehrkosten, die durch nachträgliche Reparaturen entstehen können, abzusichern“, sagt Heye. "Natürlich trennen wir aber strikt zwischen Wartungs- und Instandsetzungskosten. Denn nur die Wartungskosten werden von uns auf die Mieter umgelegt; Instandsetzungskosten trägt selbstverständlich das Unternehmen“, erläutert der Einkaufsleiter weiter.
Um das Know-how und die Transparenz zu erhalten, setzt VIVAWEST bei der Leistungsabrechnung mit ihren Handwerkern auf ein SAP®-Portal, in dem alle Aufträge, Meldungen, Wartungsprotokolle und Bestellpositionen zu den einzelnen Lieferanten archiviert werden. So ist dann auch die technische Gebäudeakte für die Aufzugswartung nur wenige Klicks entfernt, was sich wiederum positiv auf den Verwaltungsaufwand auswirkt. Mit anderen Worten: die VIVAWEST-Mitarbeiter haben mehr Zeit für andere, produktive Aufgaben, etwa der direkten Kommunikation mit den Mietern.
Wer das Thema Wartung sauber durchdenkt und strukturiert, der mache einen guten Schritt, den gesamten Lebenszyklus der Häuser- und Wohnungsausstattung effizienter zu gestalten, findet Thomas Heye. Instandhaltung, Modernisierung und die Planung von Neubauten profitierten davon. „Für einen strategisch orientierten Einkauf hängen ja all diese Themen zusammen, denn letztlich läuft es auf die Frage nach den besten Lieferanten hinaus – qualitativ und preislich.“ Durchdachte Prozesse und Verträge bei der Wartung schafften zwangsläufig mehr Transparenz, mehr Wettbewerb. Gewiss, das führe zu einer Auslese unter den Lieferanten. Dem möglichen Verdacht eines einseitigen Preisdrucks seitens VIVAWEST widerspricht der Einkaufsleiter aber entschieden. „Hart, aber fair“ sei das Motto. „Wir streben langfristige strategische Einkaufspartnerschaften an“.
Von der Pflicht zur Kür
Auch Jens Hornstein setzt sich immer wieder mit dem Thema Einkauf auseinander. Als Geschäftsführer der Unternehmensberatung Kerkhoff Consulting hat er in den vergangenen Jahren ein gutes Dutzend Wohnungsunternehmen beraten. „Die gesetzlichen Mindeststandards bei der Wartung zu erfüllen, ist die Pflicht“, sagt er. „Spannend wird es bei der Kür, wenn man von der reaktiven zur proaktiven Wartung übergeht.“
Gemeint sind damit klug aufgesetzte Wartungsverträge, die ein Maximum an Eventualitäten abdecken, also möglichst zusätzlich viele außerplanmäßige Leistungen umfassen, die in einem klassischen Kontrakt eher nicht zu finden sind. Was passiert zum Beispiel, wenn eine Heizungsanlage überraschend nach einer unlängst erfolgten Wartung ausfällt? Ist die unverzügliche Reparatur dann Bestandteil des Wartungsvertrags? Wie schnell muss der Handwerker in einem solchen Fall reagieren? Mit welchem Team ist er verpflichtet, das Problem zu lösen: Meister oder Azubi? Was, wenn sich der Heizungsausfall außerhalb der Kernarbeitszeiten, am Wochenende oder an Feiertagen ereignet?
„Hinter Service- und Reaktionszeiten zum Beispiel verbergen sich immer auch Preiskomponenten, die in Wartungsverträgen mitbedacht werden sollten“, stellt Hornstein fest. Sonst entpuppt sich ein auf den ersten Blick günstiger Wartungsvertrag, in dem diese Details nicht geregelt sind, unversehens als Kostentreiber für das Wohnungsunternehmen. Handwerkern indes beschert er hübsche Zusatzeinnahmen.
Aber wie können Wohnungsunternehmen derlei leisten, insbesondere wenn sie nicht über eine eigene Einkaufsabteilung mit entsprechenden Spezialisten verfügen? „Man benötigt nicht unbedingt einen Zentraleinkauf, wie bei einem Großkonzern“, fasst Jens Hornstein zusammen. Es gebe nicht die perfekte Organisationsstruktur. „Vielmehr muss man sauber analysieren und definieren, was im individuellen Fall eines Wohnungsunternehmens wichtig und richtig ist.“ Natürlich könne die Beschaffung auch der technische Leiter verantworten, nur: „Der muss dann auch fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse sowie Markt- und Einkaufsexpertise haben. Zudem sollten die Wartungsprozesse digital sauber abgebildet werden, damit alle Vorgänge sowohl in technischer wie buchhalterischer Hinsicht transparent und vergleichbar bleiben.“
Die Früchte guter Vorarbeit ernten
Adrian Haese, Einkaufsleiter bei Aareon, kann diesen Empfehlungen einiges abgewinnen. Er verantwortet ein vierköpfiges Team, dass für alle Standorte des Konzerns in Deutschland die zentralen Beschaffungsvorgänge managt und international über ein länderübergreifendes Einkaufsnetzwerk koordiniert. Dabei stehen auch die Kosten über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden oder Dienstleistungen im Mittelpunkt. Alleine bei den Themen „Wartung“ und „Unterhalt“ fallen jährlich Kosten im sechsstelligen Euro-Bereich an.
Kommunikation stellt nach Haeses Ansicht die wichtigste Grundlage für einen professionellen Einkauf dar: „Man benötigt von Anfang an Spezialisten aus den Fachbereichen und Finanzexperten, die als Projektteam gemeinsam an einem Strang ziehen. Nur so lassen sich Kosten und Qualität zusammen unter einen Hut bringen.“ Und nur so entstehe auch ein adäquates Bild davon, welche Anforderungen ein Unternehmen zum Beispiel im Bereich Wartung tatsächlich hat. Darüber hinaus klärt sich, welche Lieferanten ein möglichst breites Spektrum an Dienstleistungen gut abbilden können. Auf Basis dieser detaillierten Anforderungen werden dann potenzielle Lieferanten angefragt und, bei positivem Feedback, zu Vorgesprächen eingeladen, in denen sich dann endgültig herauskristallisiert, wer in Frage kommt. So erfolgt Schritt für Schritt eine immer genauere und feinere Auswahl.
„In den abschließenden Vertragsverhandlungen ernten wir dann gewissermaßen die Früchte der Vorarbeit “, resümiert der Einkaufsleiter. Letztlich bleiben meist nur zwei oder drei Anbieter übrig, denen das Einkaufsteam wirklich zutraut, alle Anforderungen und Wünsche zu einem adäquaten Preis umsetzen zu können. So entsteht ein Wettbewerb, der von klaren, transparenten Kriterien getragen ist. Für Adrian Haese steht fest: „Gute Verhandlungen sind dann nicht geprägt von Spielchen oder Bluffs. Sondern von einem durchdachten Prozess, von Sachlichkeit und Transparenz.“